LUCREZIA BORGIA

Marcus Hladek in der Frankfurter Neuen Presse am 4. November 2013

"[...] Eine schwarze Legende, von den Reformatoren und der Aufklärung kolportiert, verzerrt seit dem Jahr 1500 das Bild vom Hause Borgia. Die Lügen und Projektionen betreffen Papst Alexander VI. und dessen Sohn Cesare [...], aber auch die Tochter Lucrezia. Noch der französische Romantiker Victor Hugo griff 1833 in seinem Stück auf eine gallikanische Version davon zurück, da er zwar Lucrezia vermenschlicht, die Borgia aber moralische Monster bleiben lässt. Dass Sascha Weipert diese Lucrezia als selbstbewusste Frau und Rufmordopfer zeigt (Jenny-Ellen Riemann mit Mariel-Hemingway-Appeal), markiert die erste Stärke der Produktion. Die zweite gründet darauf, dass Büchners Übersetzungen, auch Hugos „Maria Tudor“, in den Werkausgaben fehlen. Selbst Theaterkritiker mögen sie teils gar nicht kennen. Und doch dringt der Tonfall Büchners durch. Er allein wäre es wert, das Stück im Büchner-Jahr zu zeigen. Wäre es auf deutschen Bühnen präsent, ließe sich einwenden, Weiperts Regie lasse das Melodram zu schlicht und ungebrochen stehen. Da es aber kaum je gespielt wird, liegt hierin die dritte Stärke der Regie, die es dem Zuschauer integral vor Sinnen führt. Das Spiel beginnt im Foyer, wo Lucrezias Vertrauter Gubetta (Eric Lenke: vital, nuanciert, kraftvoll) in grauem Pelzmantel und fünf Darsteller [...] als Adelsclique auftreten [...]. Riemann und Lenke sowie Fabio Rocchio als Lucrezias Sohn, Sabrina Czink als dessen Geliebte, Matthias Hock als fürstlicher Gatte Lucrezias und andere liefern eine sehr ordentliche „Lucrezia Borgia“ ab, ohne die Borja (der spanische Name der Familie) als „bruja“ (Hexe) zu denunzieren."

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